Meine erste Ayahuasca- Zeremonie: erstaunte Tagebuchauszüge

Mein erster psychedelischer Trip war gleichzeitige der stärkste, den ich jemals hatte. Ich war damals 20 Jahre alt, alleine in Peru unterwegs, zynisch, besserwisserisch und sehr, sehr unglücklich. In meiner Sprachschule in Cusco hatte ich erstmals von Ayahuasca gehört: von einer Kollegin, die mit leuchtenden Augen von den neun Orgasmen (!) erzählte, die ihr während einer Ayahuasca-Zeremonie der Anblick des Mondes verschafft hatte. Neugierig wie ich war, konnte ich es nicht abwarten, es ebenfalls zu probieren, wollte ein bisschen „high“ sein und coole Sachen sehen. Ich hatte keine Ahnung, dass Ayahuasca von der peruanischen autochthonen Bevölkerung als Medizin betrachtet wurde, keine Ahnung, dass ich an einer heiligen Zeremonie teilnehmen würde, keine Ahnung von Spiritualität. Konzepte wie „Egotod“ kannte ich nicht, nur „Horrortrip“ war mir ein Begriff, aber ich schob die Möglichkeit zur Seite. Ich würde beidem begegenen.

Es war die mit Abstand schlimmste und schönste Erfahrung, die ich jemals hatte. Ich habe mein altes Tagebuch ausgegraben, wo ich mit sehr nüchternen Worten zu beschreiben versuche, wie die Zeremonie aufgebaut war. Ich erinnere mich an mein bloßes Erstaunen, an die Unmöglichkeit, meine Erfahrung zu artikulieren, an die Erkenntnis darüber, wie sehr Sprache begrenzt ist, an mein erstmals erwachendes Interesse an Psychdelika, an Mystizismus, an Spiritualität.

Hier ein paar Ausschnitte meines damaligen Tagebucheintrags (die Veröffentlichung davon ist möglich, weil ich mich kaum mehr mit dieser jüngeren Version von mir identifiziere; allzu Persönliches oder Irrelevantes habe ich gekürzt. Tut mir Leid für schlechte Grammatik usw.):

8. September 2012

Ich glaube, etwas hat mein Leben verändert. Ich habe heute oft genug versucht, es in Worte zu fassen und jetzt sitz ich endlich im Bus nach Arequipa, auf meine letzte Woche zusteuernd. Ich werde Cusco nicht besonders vermissen. […]

Eigentlich habe ich Ayahuasca nur ausprobieren wollen, weil ich einen Trip haben wollte. Und dann fahr ich also nach Pisaq, sehe all diese verrückten, superspirituellen Menschen, die eins sind mit sich und dem Universum und denk mir nur what the fuck. Und wie widerlich, dass jeder einen Kübel zum kotzen kriegt! Und dann gehen wir in den Tempel- mehr als 30 Leute- und ich bin nur angepisst, weil ich nicht gescheit Platz gehabt hab und nach der Reihe nehmen wir dann ein paar Schlucke Ayahuasca. Schmeckt nicht besonders lecker, die „Mutter“. Und dann wurde es dunkel und es herrschte Sprechverbot. […]

Ich weiß nicht genau, wann es begonnen hat. Es muss ziemlich schnell gewesen sein, weil ich mich nicht erinnern kann, gelangweilt gewesen zu sein. Das erste, was ich gesehen hab- und ich denke zeitgleich fing das Gekotze rundherum an, aber es hat niemanden gestört- war, dass die 2 Streifen in dem Fenster gegenüber anfingen, sich zu bewegen und in Bäume zu verwandeln. Und dass ich nicht aufhören konnte zu grinsen. Dann kamen die Tänzerinnen, aber ich sah sie noch dunkel. Ich hab dann irgendwie Angst bekommen und gemerkt – das mag ich nicht. Und zack, es wurde immer schlimmer. […]

Die totale Ekstase. Aber immer auch so viel Angst. Irgendwann begann die Musik – wunderschöne Gitarrenklänge und Gesang. Ich glaube zu diesem Zeitpunkt habe ich dann auch das Universum gesehen. Ich wusste nicht, ob meine Augen offen oder zu waren; es spielte auch keine Rolle, ich habe es trotzdem gesehen, denn es war überall. Ich weiß nicht, ob die Musik echt war, oder in meinem Kopf. Ich wusste nicht wo ich bin, wer ich bin, was real ist, und was nicht. Ich versuchte dauernd zurück zu mir zu finden, aber es spielte keine Rolle. Nichts spielte eine Rolle, aber ich habe trotzdem alles verstanden. Ich habe die ganze Welt verstanden. Und da war so viel Liebe! Ich wollte unbedingt alle berühren. Alle haben sich übergeben und ich dachte, ich müsse auch, aber ich konnte nicht. Und das hat mich dann wieder fertig gemacht, denn ich wollte dieses Zeug loswerden, um wieder normal zu werden. Ich habe dagegen angekämpft. Und dann kam wieder diese Musik (how can anybody ever tell you, you are anything less than beautiful?) und ich sah diesen gelben Bus mit all diesen fröhlichen, lachenden Menschen darin und ich wollte aufspringen um zu ihnen zu gelangen, aber ich konnte nicht. Ich hatte zu viel Angst, die Realität zu verlieren unc nicht mehr zurückzufinden. Ich habe wirklich mit irgendwelchen inneren Dämonen gekämpft, aber ich war zu schwach.

Und dann, ich weiß nicht, vielleicht habe ich geschrien oder zu laut gestöhnt oder aufgehört zu atmen, jedenfalls war auf einmal eine Gruppe Leute um mich herum und haben mich rausgebracht, mir gesagt, wo ich bin, dass ich tief aus und einatmen soll. Ich habe Diego [Anm.: der „Schamane“, der die Zeremonie geführt hat] angebettelt, dass er es stoppen soll. Er meinte nur, dass ich nicht dagegen ankämpfen soll. Und dann bin ich ewig draußen mit Milagros [Anm.: Diegos Frau] gesessen und habe vor mich hingelitten. Die Bäume um mich herum verschwanden immer wieder in andere Welten. Nur wenn ich Milagros angeschaut habe, bin ich kurz in die Wirklichkeit zurückgekehrt. Reden konnte ich sowieso nicht. Und wenn Milagros für einen Moment nicht meine Hand gehalten hat, bin ich in Panik ausgebrochen. Ich wollte einfach, dass es aufhört. Ich habe gedacht, ich sterbe, aber es war mir egal.

Nach einer Zeit wurde es besser. Ich musste wieder rein und war dann ruhig. Ich wusste zumindest wieder, wo ich bin. Ich habe die Musik genossen und auch mal mitgesungen (ohne es zu merken). Ich habe beschlossen, Bass (?) zu lernen und ich war – bin – mir sicher, dass es einen Gott gibt. Ich habe doch irgendwas gesehen. Etwas, das so viel größer und wärmer ist, als diese Welt. Wunderschön und voller Liebe. Wenn ich es nur zulassen hätte können…

Um etwa 3 Uhr wurde die Zeremonie beendet. Diego hat uns wieder mit irgendwas angeblasen und es war vorbei. Alle haben sich umarmt und waren glückselig. Ich einfach nur fertig.

Aber es stimmt wohl, dass es Medizin ist. Ich habe alles verstanden! Alles war so einfach, so verbunden. Ich weiß noch nicht genau, was ich davon mitnehmen werde – Diego hat gesagt, es wird mir viel für die Zukunft bringen -aber auf jeden Fall sehe ich jetzt einiges anders. Ich weiß nur nicht genau, wie ich mich fühle, ob gut oder schlecht. […]

Ich finde meine holprigen Versuche, ohne entsprechendes Vokabular das Unbegreifbare für mich fassbar zu machen, sehr interessant. Vor allem die häufige Benutzung von „Wirklichkeit“ beziehungsweise „Realität“ und meine Verwirrung darüber, in andere scheinbare Nicht-Realiäten abgedriftet zu sein, oder Teil eines ganzen „Universums“ zu sein (im metaphysischen Sinne). Mein Leben hat sich nicht sofort geändert. Erstmals war ich noch eine ganze Weile lang verwirrt. Aber einige Monate nach der Zeremonie gab es eine gewisse Entscheidung, die mein Leben durch selbst gestzte Schitte nachhaltig zum besseren führte. Einfach gesagt: ich wurde glücklich. Unter Rücksichtnahme auf das Ursache und Wirkung Prinzip gehe ich davon aus, dass ich diese Entscheidung der Ayahuasca-Zeremonie zu verdanken habe, zumindest zu einem Teil. Vor allem aber wurde mir in dieser Nacht klar – und diese Erkenntnis trage ich bis heute mit mir – dass ich eigentlich keine Ahnung von irgendwas habe.

 

Übrigens:
Falls jemand mal in Peru unterwegs ist… Diego & Milagros bieten immer noch Ayahuasca-Retreats an: http://sacredvalleytribe.com/

 

2 Kommentare

  1. Meine Erfahrung mit Ayahuasca war zwar hart – aber die Befreiung und Klarheit im Anschluss war den Einsatz wirklich wert. Ich habe eine so liebevolle Begleitung durch Rene und Alexandra von Yage Visions erfahren. Diese liebevolle Begleitung und Nachsorge war für mich sehr, sehr wichtig. Denn bei mir kam die eigentlich Arbeit nach der Zeremonie. Nach mehreren Zeremonien stehe ich heute ganz anders in meinem Leben. Und das ist es endlich, was es ist – MEIN LEBEN.

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